Wir wechseln

Ein anderer Schwerpunkt unserer BAK-Klausur war unsere Kommunikation – wie wir mit Haupt- aber auch so vielen Ehrenamtlichen zusammenarbeiten, aber auch, welcher Messenger-Dienst künftig verwendet werden soll. Nachdem Threema deutlich aufgeschlagen hat und bei vielen Nutzern bei jedem Handywechsel eine neue Lizenz gebraucht wird, haben wir nach Alternativen gesucht, Kosten und Nutzen abgewogen, auch andere Optionen wie eine EJW-App getestet und uns schlussendlich entschieden, auf Signal umzusteigen.

Interview mit unserem früheren Jugendreferenten Rainer Samuel aus Weingarten: Wie war das damals im Jugendwerk?

Lieber Herr Samuel, können Sie sich uns kurz vorstellen?

Ich lebe zusammen mit meiner Ehefrau Ilona seit 1979 in Weingarten – also seit dem Ende meiner 10-jährigen Tätigkeit als Jugendreferent im Kirchenbezirk Ravensburg. Seit 2008 bin ich Rentner, erfreue mich guter Gesundheit und lebe etwas abseits der Öffentlichkeit als kritischer Zeitgenosse. Ich arbeite ehrenamtlich mit bei der Tafel in Weingarten und ich freue mich zur Zeit, dass junge Menschen wieder aktiv sich ins Weltgeschehen einmischen.

 

Was war Ihre Funktion im ejw Ravensburg und welche Aufgaben hatten Sie?

Ich war 10 Jahre Jugendreferent. Zuerst einige Jahre angestellt bei den Evang. Kirchengemeinden Ravensburg und Weingarten für die männliche Jugendarbeit und danach angestellt beim Kirchenbezirk nach der Aufteilung in „Distrikte“, für den Distrikt Schussental. Damals gab es noch eine Jugendreferentin für die weibliche Jugendarbeit in den Distrikten Allgäu und Schussental zusammen.

Meine Aufgabe war es zuerst die Arbeit des CVJM Ravensburg zu leiten und auszubauen. Der CVJM hatte 2 Jugendräume im Obertorturm und dort auch eine öffentliche Bücherei. Über diesen „Stammsitz“ hinweg gab es nach und nach Jungengruppen im Markus Gemeindehaus, im Johannes Gemeindehaus Weststadt im Gemeindehaus und Kindergarten Edelweißweg in Weingarten und im Gemeindehaus Baienfurt. Meine Tätigkeit war zuerst die aktive Leitung von Jungengruppen (Jungschar, Jungenschaft und Jungmännerkreis) und dann vor allem die Suche nach Mitarbeitern und die Mitarbeiterschulung und Begleitung.

 

Wie kam es zur Gründung des Evangelischen Jugendwerks Ravensburg-Weingarten-Baienfurt e.V.?

Die Städte im Schussental hatten den Plan (natürlich angetrieben durch Ravensburg) eine Bandstadt von Eschach bis Baindt zu werden. Damals wären das etwa 72000 Einwohner gewesen. Man wollte mit dieser Großstadt ein größeres Gewicht nach Stuttgart signalisieren und erhoffte sich dadurch mehr Mittel für die Entwicklung dieses Raums. Die evangelischen Kirchengemeinden unterstützten dieses Vorhaben, denn sie arbeiteten schon eng zusammen. Also war die Frage: soll man den CVJM Ravensburg ausweiten auf die kommende Bandstadt als CVJM (Christlicher Verein junger Männer) mit Weingarten und Baienfurt? Gegen diesen Vorschlag gab es Widerstände in den Kirchengemeinden. So wurde die Lösung gefunden durch die Gründung eines Vereins für das ganze Schussental als „evangelisches Jugendwerk“ – männlich und weiblich vereint. In einer Volks-Abstimmung über den Zusammenschluss der polit. Gemeinden wurde die Bandstadt zwar abgelehnt – das evangelische Jugendwerk aber blieb und wurde mit Zuschüssen der Kirchengemeinden Ravensburg-Weingarten und Baienfurt finanziert.

 

In welchen Räumlichkeiten war das ejw damals zuhause?

Natürlich standen der Jugendarbeit alle Gemeindehäuser offen. Gruppenarbeit aber fand hauptsächlich statt im Obertorturm (nach wie vor nur Jungenarbeit – die Mädchen trafen sich in der Weinbergstraße), im Markus-Gemeindehaus (damals gab es noch einen Saal der hervorragend geeignet war für Lumpenhockey), im Johannes-Gemeindehaus (da hatten wir 2 Jugend- und einen Kellerraum), im Edelweißweg in Weingarten hatten wir 3 Jugendräume und in Baienfurt gab es 2 Gruppenräume. Die Mitarbeiter trafen sich monatlich im „Edelweißweg“ und das war eine recht große Gruppe von über 20 Leuten. 1977 dann stellte die Kirchengemeinde Ravensburg das obere Stockwerk der Kohlstraße 1 zur Verfügung und bald wurde das ganze Haus der Jugendarbeit zur Verfügung gestellt. Hier trafen sich dann die Gruppen der „jungen Erwachsenen“ und das was man damals als „teil-offene Tür“ bezeichnete, denn überall wurden Jugendhäuser geschaffen. Es gab viele Pläne für die Entwicklung dieses Hauses. Das habe ich aber durch meinen Wechsel ans Berufsschulzentrum nicht mehr miterlebt.

Welche Ereignisse sind Ihnen von damals lebendig in Erinnerung geblieben?

Die größten Ereignisse waren die großen Pfingstlager der Jungscharen (in der Adelmühle). Sie standen immer unter einem Thema und es gab immer einen Lagersong und ein eigenes Lager-Liederbuch. Für mich waren auch die Ferien-Freizeiten und die Mitarbeiter-Freizeiten Höhepunkte in meiner Tätigkeit. Am Ort hatten wir in den 70er Jahren noch Jugendtanz-Abende mit einer Band (hauptsächlich im Johannes-Gemeindehaus). Jugendgottesdienste wurden vom Jugendpfarrer organisiert.

 

Wie sah zu Ihrer Zeit die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen aus? Was waren die großen Themen in Ihrer Zeit?

O je, das kann heute niemand mehr verstehen. Da kamen Kinder und auch Jugendliche nach der Konfirmation noch zusammen um miteinander zu spielen, zu basteln, zu quizzen und zu reden: analog! Einfach so, nett zusammen zu sein. Es gab in den Familien noch ein Festnetztelefon und die Eltern waren bei gemeinsamen Unternehmungen noch zu fragen. Die Eigenständigkeit von Jugendlichen wurde durch die Gruppenarbeit gefördert und brachte nicht wenig Konflikte mit Eltern. Jugendarbeit war damals echt „social media“. Bibelarbeit auch Andacht wurden nicht mit Begeisterung auf dem Programm gewünscht, aber es war möglich. Für die Gruppenleiter gab es dazu auch nicht viele Hilfen außer den internen Gruppenleiterschulungen. In der Jugendarbeit waren die großen Themen die Friedensentwicklung, die Nächstenliebe und Empathie und die Entwicklung zu einer freien Persönlichkeit. Genügend Stoff also, der sich in Gruppenarbeit sehr gut erfahrbar machen lässt.

 

Wo lagen früher die Schwierigkeiten, Herausforderungen und Probleme?

Zum Jugendreferenten gehörte die Elternarbeit. Viele Besuche. Alles lief dann gut, wenn die Eltern, vor allem auch die Eltern der Mitarbeiter merkten, dass im Jugendwerk gute „Arbeit“ gemacht wurde bzw. dass die Kinder gute Erfahrungen machen konnten.

 

Wie würden Sie die großen Unterschiede zu heute bezeichnen?

Ich denke, dass es heute schwer ist einen Gruppenleiter zu definieren. Gruppenleiter sein früher, war verbunden mit Vorbildfunktion und Anerkennung durch die Mitglieder. Im Mitarbeiterteam herrschte Teamgeist und gegenseitige Anerkennung. Heute ist das alles sehr schwer – es wird so vieles nieder gemacht. Mehr Kampf um die eigene Daseinsberechtigung.

Ich möchte damit nicht sagen, dass im heutigen EJW kein Teamgeist herrscht nein, nur bis man heute Mitarbeiter findet die in diesem besonderen Geist zusammenarbeiten wollen und können ist sicher sehr schwer. Deshalb wird heute sicher berechtigt mehr Verkündigung der Botschaft Jesu explizit nötig sein, als klare Aussage zum eigenen Verhalten. Als Beispiel von früher: Mitarbeiter waren oft schon in der Jungschar dabei. Sie konnten das weitergeben, was sie selbst erfahren hatten.

Kinder und Jugendliche anzusprechen kann ich mir heute kaum mehr vorstellen mit den Methoden meiner Zeit. Wann soll denn eine Gruppe stattfinden? Viele Kinder sind zeitlich total ausgebucht. Die Auseinandersetzung findet übers Smartphone statt. Dabei muss man nicht sein Gesicht zeigen, man kann sich auch einen x-beliebigen Namen geben. Dabei wäre eine regelmäßige Gruppe sicher für viele Kinder entwicklungsfördernd. z.B. spielerisch verlieren, einstecken lernen (Frustrationstoleranz) aber auch die eigenen Stärken entdecken.

 

Wie wichtig war die Bibel und der christliche Glauben damals in der Arbeit?

Kirche und Christsein waren anerkannt, bekannt und nicht verpöhnt. So konnte noch einfacher Werbung gemacht werden. Ein Brief (von der Kirche sprich Jugendwerk) an die Konfirmanden oder an die Drittklässler war möglich – es gab ja keinen Datenschutz.

Im Mitarbeiterkreis waren wir eine so gute Gemeinschaft, dass niemand kontrolliert hat, ob oder wie oft gebetet wurde oder Andacht gehalten wurde. Es herrschte eine generelle Übereinstimmung darüber, dass wir Christen sind und dass wir uns nach Jesu Beispiel verhalten wollen.

 

Gab es damals bereits ökumenische Kooperationsprojekte?

Es gab in Ravensburg den Stadtjugendring in dem die Jugendvereine gut kooperiert haben mit z.B. Tanzveranstaltungen, alkoholfreier Treffpunkt am Rutenfest. Mit der katholischen Jugend gab es zusätzlich wenig Berührungspunkte. Eine ökumenische Aktion der Jugend war die Jährliche Alt-Kleidersammlung.

 

Gab es Jugendfahrten zu Kirchentagen, nach Taizé oder sonstigen Treffen?

Nein.

 

Was wissen Sie noch vom Zeltplatz in Tunau und dessen Gründung?

Tunau wurde von uns schon vor dem großen Ausbau genützt hauptsächlich für Mitarbeitertreffen. Aber es gehörte mehr in die Zuständigkeit des Distrikts Bodensee.

 

Was haben sie in den letzten Jahren vom ejw Ravensburg wahrgenommen?

Das EJW wäre mir unbekannt, wenn ich nicht das „Update“ erhalten würde. Es ist ja auch das Jugendwerk, also nicht meine Zielgruppe.

 

Was würden Sie den jungen Menschen heute unbedingt mit auf den Weg geben?

Kritisch sein und zu hinterfragen, also nicht alles glauben was geredet wird. Zuhören können und auch andere Meinungen gelten lassen. Davon ausgehen, dass der andere auch Recht haben könnte also versuchen auch im Mist noch etwas positives zu entdecken. Das betrifft auch den Umgang mit Bibel und Glauben: Zweifel zulassen und eine eigne Erklärung suchen. Gründlichkeit statt Gefühlsduselei (dabei meine ich die Übernahme evangelikaler Strukturen und Anglizismen aus den USA - das ist nach wie vor nicht mein Ding)

Nie vergessen: Gottes Liebe am Beispiel Jesu gilt allen Menschen und nicht nur denen, die mir sympathisch sind.

 

Lieber Herr Samuel, ich danke Ihnen herzlich für das Interview!

 

David Scherger, Jugendreferent